Erich Hauser (1930-2004)

Erich Hauser, 1 – 79/80, 1979/80 rostfreier Stahl (Wandrelief), Sparkasse Hegau-Bodensee, Hauptstelle Singen, Kundenhalle, © VG Bild-Kunst, Bonn 2020, Foto: Marcus Schwier

1 – 79/80, 1979/80

rostfreier Stahl (Wandrelief)
210 x 400 x 55 cm
Sparkasse Hegau-Bodensee, Hauptstelle Singen, Kundenhalle

Nachdem Erich Hauser Anfang der 1970er Jahre damit begonnen hatte, zusätzlich zu seinen hoch aufragenden Röhren und Stelen auch große Wandreliefe und Flächenwände zu gestalten, schuf er 1979/80 eines seiner herausragenden Werke dieser Art für die Kundenhalle der damaligen Bezirkssparkasse Singen. Sie markiert, ähnlich wie die Stele 2 – 84/85 mitten in der Singener Innenstadt am sog. ›Hauser-Brunnen‹, einen Wendepunkt im Oeuvre, insofern Hauser die geschlossene Form des Reliefs zugunsten dynamisch in den Umraum ausgreifender Formen aufzulösen begann. Zu dieser Zeit zählte Erich Hauser längst zu den bekannten, erfolgreichsten Bildhauern Deutschlands, der immer größere Aufträge für den öffentlichen Raum, z.B. für das Bundeskanzleramt in Bonn, die Staatsbibliothek Berlin oder den Theaterplatz in Karlsruhe, realisieren konnte. Seine Stahlplastiken wurden zudem auf mehreren ›documenta‹-Schauen und großen Museen rund um die Welt gezeigt. Hausers Werk stellt für die Entwicklung der Stahlplastik in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts einen Meilenstein dar.                                                                                     

›1 – 78/80‹ ist, typisch für Hauser, ein waagrecht an der Wand befestigter,
hohler Block aus rostfreiem, hochpoliertem, im Licht hell aufglänzendem Stahl. Dessen kantig gefügte, geometrisch ausgebildete Platten agieren dynamisch mit- und untereinander.

Dadurch entsteht ein bewegtes, kristallines Binnengefüge, das dem Betrachter das Prinzip moderner Montage aus industriell vorgefertigtem Material äußerst sinnlich vor Augen führt: das ursprünglich geschlossene, wandbezogene, der konstruktiven Kunst verpflichtete Rechteck bricht auf. Während die mit höchster technischer Präzision gestalteten Dreiecksflächen mit ihren vorschießenden Spitzen, die bauchig geblähten Formen aus gebogenen Platten und die beiden oben links und unten rechts angefügten, ausgreifenden Körper allesamt in den Umraum hineindrängen, geben die aufstehenden Grate, welche die makellose Außenhaut mit geraden und sichelförmigen Schnitte aufschneiden, den Blick ins Innere der Plastik frei. Hauser unterstreicht auf diese Weise das Volumen seiner Wandarbeit, aus deren Inneren heraus eine die ganze Arbeit durchdringende Kraft nach außen zu drängen scheint.

Erich Hausers Ansatz war in der Zeit revolutionär neu. Plastik wird abstrakt und definiert als ein Zusammenspiel von Kräften im zu eroberndem Raum. Allen Arbeiten dieser Zeit gemein ist eine kubistisch anmutende Zerlegung und Energie, welche die in der Nachkriegszeit lange vorherrschende Vorstellung von Plastik als eine still gestellte, ruhende Form überwindet. Späterhin sollte Hauser diese Tendenz in seinem Oeuvre so weit steigern, dass geradezu von einer ›Explosion‹ seiner zunehmend splittrigen Raumkörper gesprochen werden kann. Das Singener Wandrelief ist eine wichtige Station in Hausers Oeuvre und für die Entwicklung der modernen Plastik.

Text und Redaktion: Christoph Bauer, Kunstmuseum Singen
Fotos: Marcus Schwier


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